Wenn man, wie ich, in der Großstadt lebt, ist das Leben oft ein einziges “to go“. Ich stehe auf, hole mir meinen “Kaffee to go“ und ein Brötchen „auf die Hand“. Im Laufschritt geht’s zum “Auto to go“, das mich – Kaffee in der Hand und Brötchen auf dem Schoß – satt und schnell an meinem Arbeitsplatz abliefert. In der Mittagspause kann ich mir die ganze kulinarische Welt “to go“ an meinen Schreibtisch mitnehmen. Auch wenn ich mich beim Anblick von Salat auf Polystyrol nicht des Eindrucks erwehren kann, dass gesund irgendwie anders aussieht.

Ich könnte die Geschichte weiterschreiben, aber ich denke, ihr wisst, was ich meine.

Klar, Sachen “to-go“ sind praktisch und sparen uns Zeit. “To go“ heißt aber auch, dass wir uns oft gar keine Zeit für die wichtigen Dinge nehmen. Wie unsere Gesundheit. Essen und trinken sind die besten Beispiele dafür.

Mann in Eile

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Auch Kontaktlinsen gibt es neuerdings “to go“. Und das nicht an der „Augenoptikertheke“, sondern aus dem Automaten. “Lens2go“ steht darauf in Großbuchstaben. Und er funktioniert dann auch 1:1 wie seine Pendants für Schokoriegel und Limo: Geld rein, Kontaktlinsen auswählen und zack, landen die neuen Linsen im Ausgabefach. Die Angebotspalette ist groß, es gibt sowohl Tages- als auch Monatslinsen, und wer sich ein wenig mit Kontaktlinsenherstellern auskennt, trifft die bekannten Namen der großen Produzenten.

Die besten Kontaktlinsen in einer Minute?

Die Firma “Lens2Go“ wirbt im Internet dann auch damit, dass sie nur „Produkte der weltweit besten Hersteller“ zum Verkauf anbiete. Im gleichen Absatz schreibt sie, dass der Kauf nicht länger als 1 Minute dauert. Beide Sätze – noch dazu in Kombination – finde ich bedenklich.

Nun könnte man argumentieren, dass es Kontaktlinsen ja auch frei verkäuflich in der Drogerie oder im Internet gibt. Warum also nicht auch am Automaten?

KontaktlinsenautomatVorneweg: Alle drei Vertriebswege sind für Menschen, die noch nie Kontaktlinsen getragen haben und keine professionelle Anpassung haben durchführen lassen, nicht geeignet. Was mich an den Automaten aber besonders stört, ist die Botschaft, die sie aussenden. Sie stellen Kontaktlinsen in eine Reihe mit Cola und Gummibärchen, Dingen, die ich mir aus einer aktuellen Gefühlslage heraus ziehe, weil ich gerade Lust drauf habe. Oder eben keine Lust und Zeit habe, mir Gedanken darüber zu machen, was mein Körper jetzt braucht. Hauptsache süß und satt – und das möglichst schnell.

Im Unterschied zum unreflektierten Umgang mit Süßigkeiten kann das unüberlegte Hantieren mit Kontaktlinsen aber weit schlimmere Folgen für die Gesundheit haben. Eine fachgerechte Anpassung und eine Einweisung in die richtige Pflege von Kontaktlinsen sind essentiell – und Dinge, die der Automat nicht liefert.

Zwar weisen die Betreiber mit einem kleinen Schild am Gerät darauf hin, dass Nutzer ohne Kontaktlinsen-Erfahrung den Augenarzt aufsuchen sollen, weiterführende Informationen oder einen Hinweis auf den Augenoptiker als Anlaufstelle sucht man jedoch vergebens. Wer keine Lust hat, drei Monate auf einen Augenarzttermin zu warten, wird damit beruhigt, dass es sich ja um Linsen der bereits erwähnten „weltweit besten“ Hersteller handelt.

Die beste Kontaktlinse gibt es nicht

Dieser Hinweis aber suggeriert, dass es eine Frage der Marke oder des Preises ist, welche Kontaktlinse ich auf mein Auge setzen sollte. Oder dass es egal ist, welche Linse ich nehme, solange ein bekannter Hersteller sie produziert hat. Beides ist falsch. Denn Augen sind so individuell wie ein Fingerabdruck. Das heißt nicht, dass für jedes Auge eine maßgeschneiderte Kontaktlinse her muss. Wohl aber braucht es eine genaue Betrachtung der Augen, um auszuwählen, welche Kontaktlinsen geeignet sind – und welche nicht.

Auge close-up

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Ich mache das mal an zwei Eigenschaften von Kontaktlinsen deutlich: ihrem Wassergehalt und

ihrer Sauerstoffdurchlässigkeit, auf der Packung dargestellt durch einen Tropfen und ein O2-Symbol.

Der Laie liest also: Linse A hat einen Wassergehalt von 78%, Linse B von 52%. Wenn ich also zu trockenen Augen neige, nehme ich die Linse mit mehr Wasser drin. Klingt erstmal logisch. Dass der Wassergehalt einer Kontaktlinse nichts darüber aussagt, wie gut verträglich sie tatsächlich für das Auge ist, weiß der Erstnutzer natürlich nicht. Muss er ja auch gar nicht, denn dafür gibt es Fachleute, die Linsen anpassen. Die erklären einem dann auch, dass es gerade bei trockenen Augen sinnvoll sein kann, eine Kontaktlinse mit geringerem Wasseranteil zu wählen.

Bei der Sauerstoffdurchlässigkeit ist die Denkweise vermutlich ähnlich: mehr Sauerstoff gleich bessere Linse. Und auch das muss nicht stimmen. Weiche Kontaktlinsen aus Silikonhydrogel etwa sind zwar sehr sauerstoffdurchlässig, aber nicht unbedingt für Augen mit einem fettreichen Tränenfilm geeignet. Denn auf Silikon lagern sich Fette schneller ab, sodass sich nach einiger Zeit ein Schmierfilm bilden kann. Heißt: Hier wäre eventuell eine weiche Hydrogellinse, die etwas weniger Sauerstoff durchlässt, viel besser geeignet.

Zeit nehmen für die eigene Gesundheit

Diese Informationen, die für die Gesundheit der Augen so wichtig sind, sind aber “to go“ nicht zu haben. Im Prinzip ist es wie mit dem eingangs erwähnten Salat in der Plastikbox: Für den Moment scheint es praktisch, aber gesund fühlt es sich nicht an – und ist es auch nicht.

Und hier schließt sich der Kreis: Für die wichtigen Dinge des Lebens lohnt es, sich Zeit zu nehmen. Das können 30 Minuten sein, in denen ich einen frischen Salat von richtigem Geschirr esse, ein Kaffee, den ich mit allen Sinnen genieße, statt ihn mir beim Autofahren halb über die Hose und halb in den Mund zu kippen – oder eben ein Besuch bei einem Experten für Kontaktlinsen. Und Augenoptiker gibt’s – ähnlich wie die kulinarischen Ergüsse aus aller Welt – in der Großstadt nun wirklich auch an jeder Ecke.